So findest Du die richtige Erzählperspektive für deinen Roman

So findest Du die richtige Erzählperspektive für deinen Roman

Was ist die richtige Erzählperspektive für meinen Roman? Vor dieser Frage stehen viele Autoren, bevor sie ihr Buch schreiben. In diesem Beitrag stellen wir Dir die wichtigsten Erzählformen vor und erläutern welche Wirkung die gewählte Perspektive auf den Leser hat.

Bevor Du deinen Roman schreibst, solltest Du Dir Gedanken über die Erzählperspektive machen. Bei der Wahl der Perspektive muss sich ein Autor über einige Punkte klar sein: Du bestimmst, wo Du als Erzähler stehst, wie Du deinen Leser ansprichst und was Du über die Handlung weißt. So kannst Du Dich mit dem Ich-Erzähler für eine beschränkte Perspektive entscheiden und den Leser in deinem Buch gar nicht ansprechen. Eine andere Alternative wäre der allwissende Er-Erzähler mit häufigen Ortwechseln, der die Erwartung der Leser mit Kommentaren und Andeutungen steuert.

Die Perspektive des Ich-Erzählers ist ideal für Reiseliteratur

Wie wählt ein Schriftsteller die richtige Erzählperspektive für seinen Roman aus? Häufig hängt die Perspektive vom Genre ab. Für Abenteuerromane und Reiseliteratur bietet sich der Ich-Erzähler an, schreibst Du einen historischen Roman, ist der allwissende Er-Erzähler eine gute Wahl. Je nach Genre haben sich bestimmte Erzählsituationen bewährt.  Feste Regeln gibt es bei der Wahl der Erzählperspektive für ein Genre nicht. Es steht vielmehr die Frage im Mittelpunkt, welche Wirkung Du als Erzähler erzielen willst.

Erzählperspektive und Klassifizierung

Literaturwissenschaftler haben in der Vergangenheit verschiedene Modelle entwickelt, um Erzählperspektiven in der Literatur zu klassifizieren. Bekannte Modelle stammen von F.K. Stanzel, Genette und Schmidt. Im Schulunterricht dominiert die Theorie des Österreichers F.K. Stanzel mit seinem Typenkreis, wenn es um das Thema Erzählperspektive geht. Das Modell ist klar strukturiert und kennt drei Erzählsituationen. Hierzu gehören der Ich-Erzähler, auktorialer und  personaler Erzähler (Er-Erzähler). Die Theorie von Stanzel eignet sich nicht nur für die Analyse von Texten im Schulunterricht, sondern kann auch Dir auch als Autor eine Orientierung beim Schreiben deines Romans geben.

Im Folgenden stellen wir das Modell von F.K. Stanzel mit seinen drei Erzählperspektiven vor und erläutern, welche Wirkung Du mit den einzelnen Erzählsituationen bei deinen Lesern erzielst.

Ich-Erzähler (Erlebendes und erzählendes Ich)

Der Ich-Erzähler ist eine beliebte Erzählperspektive. Es gibt mit dem erlebenden Ich und erzählenden Ich zwei Varianten. Im ersten Fall befindet sich der Erzähler mitten im Gesehen und weiß nicht mehr als der Leser selbst. Auf diese Weise ist ein authentisches Erzählen mit Nähe zum Leser möglich. Das erlebende Ich bietet sich für Abenteuerliteratur, Reiseliteratur und Krimis an.

Beim erzählenden Ich blickt der Erzähler wiederum auf zurückliegende Geschehnisse zurück und kennt den Handlungsverlauf der gesamten Geschichte. Ein Beispiel wäre der Ich-Erzähler aus dem Name der Rose von Umberto Eco, der auf Erlebnisse in der Abtei mit Bruder William zurückblickt. Unabhängig für welche Variante Du Dich entscheidest, mit dem Ich-Erzähler als Erzählperspektive steht deine Figur im Mittelpunkt, Du bist authentisch, nah am Leser und kannst Einblicke ins Gefühlsleben deiner Figur bieten.

Der Ich-Erzähler als Perspektive hat auch seine Schwächen. Wirkt die Hauptfigur auf den Leser unsympathisch, kann dieser keine Bindung zur Figur aufbauen und legt den Roman vielleicht sogar zur Seite. Diese Erzählperspektive ist dazu nicht ideal, wenn Du eine Vielzahl von Figuren hast oder es viele verschiedene immer wieder wechselnde Schauplätze gibt.

Er-Erzähler (Auktorialer und personaler Erzähler)

Bei dieser Erzählperspektive in der dritten Form unterscheidet Franz K. Stanzel zwischen einem personalen und auktorialen Er-Erzähler. Bei der ersten Variante sieht dein Leser die Welt deines Romans durch die Augen einer oder mehreren Personen. Die Figuren  haben die gleiche Information wie deiner Leserschaft. Entscheidest Du Dich für den personalen Er-Erzähler als Erzählform ist es ratsam aus der Perspektive mehrere Figuren zu erzählen. Ein Beispiel wäre die Perry Rhodan Reihe, hier werden in fast jeden Kapitel Erzähler und Schauplatz gewechselt. Ein einzelner Er-Erzähler wirkt mitunter monoton auf den Leser, kann aber eine gewisse Distanz zum Leser schaffen. Ein Beispiel für einen solchen Erzähler wären die Romane von  Franz Kafka, die in der Ich-Form nie die gleiche Wirkung erzielt hätten.

Beim personalen Er-Erzähler kannst Du aus mehreren Perspektiven erzählen

Der auktoriale Er-Erzähler ist eine in der Literatur gerne genutzte Erzählperspektive. Hier ist der Erzähler allwissend und befindet sich außerhalb der erzählten Welt. Diese Erzählform bietet sich bei historischen Romanen und Gesellschaftsromane an. Beispiel hierfür waren Krieg und Frieden (Leo Tolstoi) und Jahrmarkt der Eitelkeit (William Makepeace Thackeray). In beiden Romanen gibt es eine Vielzahl von Figuren oder Schauplätzen.

Die Erzählperspektive bietet viele Möglichkeiten. Diese Erzählform ist nicht so authentisch und nah am Leser wie der Ich-Erzähler, dies dürfte auch der einzige Nachteil des Er-Erzählers sein. Doch bei der Erzählform sollte man nicht von Vorteilen und Nachteilen sprechen, es kommt immer auf die Wirkung an, die Du als Erzähler in deinem Roman erzielen willst.  

Gibt es weitere Erzählperspektiven?

Stanzel kennt drei Erzählsituationen. Doch gibt es weitere Erzählperspektiven? Was ist mit dem neutralen Erzähler? Auch auf diesen Erzählertyp ist K.A. Stanzel eingegangen, laut dem Anglisten spielt diese Erzählform in Romanen keine Rolle. Ein neutraler Erzähler tritt im Drama mit seinen Dialogen und seinen Regieanweisungen, hier findet keine Wertung statt. Im Bereich der Belletristik ließe sich dieser Erzählform sicherlich konstruieren, dadurch würde jedoch nur ein schwerlesbarer Roman entstehen. Auch der Literaturwissenschaftler Wolf Schmid vertritt die Ansicht, dass es keinen neutralen Erzähler in der Literatur gegeben kann.

Fazit des Buchinsider: Was sind die gängigen Erzählperspektiven

K.A. Stanzel hat ein Modell mit drei Erzählsituationen entwickelt, welches Dir als Autor weiterhelfen kann. Der Literaturwissenschaftler unterscheidet beim Ich-Erzähler zwischen dem erlebenden und erzählten Ich. Im ersten Fall befindet sich der Erzähler mitten im Geschehen und weiß nicht mehr als der Leser. Beim erzählenden Ich blickt der Erzähler auf die Geschehnisse zurück und kennt den gesamten Handlungsverlauf.

Stanzel unterscheidet weiterhin bei der Erzählperspektive zwischen dem personalen und auktorialen Er-Erzähler. Beim personalen Erzähler sieht der Leser die fiktive Welt durch die Augen einer oder mehreren Personen, die Figuren haben die gleichen Infos wie der Leser. Der auktoriale Er-Erzähler ist hingegen allwissend und steht außerhalb der erzählten Welt. Zahlreiche Charakter und Schauplätze sind typisch für diese Erzählperspektive.

2 Gedanken zu „So findest Du die richtige Erzählperspektive für deinen Roman

  1. Hallo :),
    haben Sie zufällig die passende Literatur zu diesem Modell? Ich schreibe zur Zeit eine WHA über die verschiedenen Erzählperspektiven und würde dieses Modell gerne nennen, jedoch fehlt mir die Fachliteratur.
    Villeicht haben Sie ja noch die passende Literatur darüber.

    Mit freundlichen Grüßen
    Luca Cedro

    1. Hallo Luca,

      das Thema der Erzählperspektiven behandelt Franz Stanzel in seinem Buch „Theorie des Erzählens“ ausführlich. Im Literaturverzeichnis finden sich dann Hinweise auf weitere wichtige Literatur zur Erzählperspektive. Das Buch von Stanzel ist im Regelfall vergriffen, lässt sich am Besten über ein Antiquariat (z.B. über ZVAB) erwerben. Dazu gibt es die Fachliteratur in jeder Universitätsbibliothek. Am aktuellsten ist die 8. Auflage der „Theorie des Erzählens“.

      Schöne Grüße vom

      Insider

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