Die Heldenreise (Schritte 1 bis 6) – Ein Muster für Romane

Die Heldenreise (Schritte 1 bis 6) – Ein Muster für Romane

Charaktere in Romanen oder Filmen treten häufig eine Heldenreise (Quest) an. Eine solche Heldenfahrt erfolgte bereits in der Mythologie immer nach dem gleichen Grundmuster. Diese Erkenntnis basiert auf dem Amerikaner Joseph Campbell (1904-1968). Der Forscher hat mythologische Erzählungen in verschiedenen Kulturen untersucht und könnte 17 Stationen einer Heldenreise identifizieren. Dieses Grundmuster gilt jedoch nicht nur in der Mythologie und Antike, sondern findet sich in zahlreichen Geschichten über die Jahrhundert bis heute wieder.

Heldenreise
Die Heldenreise ist ein interessantes Modell für Romaneautoren

Das von Campbell entwickelte Grundmuster ist interessante für Buchautoren. Nach dem Muster lässt sich ein Plot für einen Roman entwickeln. Es ist nicht notwendig, dass der Held alle 17 Stationen durchläuft. Gerade für die heutige Literatur sind einzelne von Campbell beschriebene Schritte auf einer Heldenreise nicht mehr so relevant. Ein Beispiel sind Stationen wie „Begegnung mit der Göttin“ oder „Versöhnung mit dem Vater“ genannt, die der amerikanische Forscher als wichtige Stationen in der Mythologie identifiziert hat.

Christopfer Vogel hat basierend auf dem Modell von Campbell einen Zyklus der Heldenfahrt in 12 Schritten erarbeitet. Vogler ist Mitarbeiter des Filmdepartments der University of  Southern California im Bereich Stoffentwicklung und Autorenbetreuung. Sein Modell wurde für Drehbuchautoren erarbeitet und findet gerade bei Hollywoodfilmen häufig Anwendung. Das Modell von Vogler eignet sich auch perfekt für Autoren als Grundmuster eines Romans.

Die Heldenreise nach Vogler

Wir schauen uns das Modell von Vogler an und erläutern es an einem Hauptbeispiel. Der Roman „Der kleine Hobbit“ von Tolkien wie auch die dreiteilige Verfilmung von Peter Jackson sind gute Beispiele für die Heldenreise. Die drei Teile von Jackson machen übrigens sehr deutlich, wie sehr man sich in Hollywood an dem Modell von Vogler orientiert.

1. Der Ruf zum Abenteuer: Der Charakter geht seinem gewohnten und häufig langweiligen Leben nach. Der Held fühlt sich in seinem aktuellen Leben mitunter wohl. Bilbo Beutlin führt zum Beispiel zu Beginn des Romans durchaus einen Lebensstil in seinem gemütlichen Heim, der ganz nach seinem Geschmack ist. Andere Charaktere wiederum empfinden einen Mangel in ihrem aktuellen Leben. Ein Beispiel wäre Harry Potter, er fühlt sich bei seinen Stiefeltern nicht wirklich wohl. Die langweilige Welt ist der Ausgangspunkt und mit einem Schlag erhält der Charakter eine Aufgabe.

2. Das Erscheinen eines Herolds: Der Charakter wird von einem Herold zum Abenteuer und so zur Heldenreise gerufen. Gleich auf den ersten Seiten des Romans erscheint Gandalf und spricht davon, dass er jemand für ein Abenteuer sucht. Bilbo macht zugleich sehr deutlich, dass er an solchen Dingen nicht interessiert ist. Im weiteren Verlauf des Anfangskapitels wird die Aufgabe des Hobbits konkretisiert. Im ersten Teil von Harry Potter übernimmt Hagrid die Rolle des Herolds.

3. Der Held verweigert sich den Ruf: Häufig verweigert sich der Charakter der Heldenreise. Er möchte sein gewohntes, sicheres Leben nicht verlassen. Für Bilbo gibt es keinen echten Anlass, sein gemütliches Heim hinter sich zu lassen und sich in fremde Angelegenheiten zu mischen. Doch die Abenteuerlust und die Aussicht auf Belohnung sind am Ende stärker als alle Bedenken des Hobbits.

4. Der Mentor überredet den Helden: Nach dem Modell von Vogler gibt es einen Mentor, der den Helden zur Quest überredet. Beim kleinen Hobbit kommt Gandalf die Rolle zu. Bilbo ist schon bereit für die Reise, doch als die Zwerge weg sind, überlegt er sich es wieder anders. Erst der Zauberer überredet ihn wirklich zu Reise. Auch im weiteren Verlauf der Heldenreise ist Gandalf der Mentor des Charakters, auch wenn er die Gruppe zeitweilig verlässt. Es kann mehrere Lehrer geben. Im gewissen Sinne kommt auch Balin als ältesten Zwerg die Rolle eines Mentors zu.

5. Der Held überschreitet die erste Schwelle und es gibt kein Zurück: Irgendwann kommt auf der Heldenreise der Punkt, wo der Charakter eine Schwelle überschreitet und es kein Zurück gibt. Beim Hobbit erfolgt es mit dem Überschreiten der Grenzen von Hobbingen. Joanne K. Rowling inszeniert diese Grenzüberschreitung sehr schön. Mit dem ersten Betreten von Plattform 9 3/4 gibt es für Harry Potter eigentlich kein Zurück mehr. Der Zauberlehrling ist für immer an Hogwarts gebunden. Die Grenzüberschreitung ist sicherlich ein Punkt der Heldenreise, welchen Du als Autor besonders inszenieren kannst.

Held_Reise
An einem Punkt der Reise gibt es mehr kein Zurück

6. Erste Bewährungsproben, Freunde und Feinde: Der Charakter tritt auf seiner Quest auf erste Bewährungsproben, ihn stehen dabei Freunde und Feinde zur Seite. Diese Proben finden vor dem großen Konflikt statt und lassen den Helden langsam für den Hauptkonflikt reifen. Bevor sich Bilbo Smaug stellt, gibt es viele Bewährungsproben. Dazu gehören zum Beispiel Trolle, Spinnen und selbstverständlich Gollum. Bei Harry Potter dauert es mehrere Bände, bis es zum Showdown kommt. Dazu hat jeder Band von Rowling einen eigenen Hauptkonflikt.

Die Heldenreise nach Vogler – Schritte 1 bis 6 vor dem Hauptkonflikt.

Schaut man sich die ersten sechs Schritte des Zyklus an, fällt eins auf: Nach dem Modell von Vogler dauert es etwas, bis der Held überhaupt ins Abenteuer (Schritt 5) einsteigt. Es bleibt Dir überlassen, wie ausführlich Du diese Schritte in deinem Roman beschreibst. Tolkien hat die Schritte 1 bis 5 auf recht wenigen Seiten beschrieben. Bereits im zweiten Kapitel stellt sich Bilbo bereits den Trollen. Schritt 6 nimmt im Buch deutlich mehr Raum ein.

Im Modell von Vogler beginnt der Hauptkonflikt mit Schritt 7 und erfolgt über mehrere Stufen. Wie sich dieser Konflikt planen und inszenieren lässt, schauen wir uns im zweiten Teil an. Wir blicken auch auf das Ende der Heldenreise.

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