Show, don´t tell – Was steckt hinter der Schreib-Regel?

Show, don´t tell – Was steckt hinter der Schreib-Regel?

Sicherlich hast Du schon von der Schreibregel Show, don´t tell gehört. Doch was verbirgt sich genau hinter dieser Regel und ist sie wirklich so elementar? In diesem Beitrag nehmen wir die Schreibregel genauer unter die Lupe und erläutern sie an Beispielen.

Show, don´t tell (Zeigen, nicht erzählen) dürfte die wichtigste Regel von Schreibratgebern und kreativen Schreibkursen sein. Wenn Du bereits einen Kurs für Kreatives Schreiben besucht hast, wurde Dir sicherlich eingebläut: Du sollst in deinem Roman dem Leser etwas zeigen und nicht erzählen. Doch was steckt genau hinter der Regel Show, don´t tell? Ist dieser Grundsatz für die moderne Literatur so elementar, wie man häufig in Schreibratgeber lesen kann? Die Regel fordert zum szenischen Schreiben und einer filmischen Erzählstruktur auf. Handlung und Dialog sollen im Vordergrund stehen, es geht um eine plastische Darstellung und Beschreibung von Details, wie Du an einem Beispiel sehen kannst.

Kreatives Schreiben
Show, don´t tell – Die Regel lernt man in jedem Schreibkurs , Bild © by Rainer Sturm/ pixelio.de

Tell

Marta bereitete das Mittagessen zu.

Show

Marta war in der Küche voll beschäftigt. Während das Hackfleisch für die Bolognese Sauce in der Pfanne brutzelte, schielte sie immer auf den Topf mit dem Wasser. Wirst Du wohl langsam kochen, damit ich die Nudeln hineinwerfen kann. Marta schaute besorgt auf die Uhr. Franz wurde immer so ungehalten, wenn nicht Punkt 12 Uhr das Essen auf dem Tisch stand und nun war es schon fünf vor Zwölf.

Der Leser soll auf diese Weise die Handlung vor Augen haben und sich mit dem Charakter besser identifizieren können. Dabei sieht Du recht deutlich: Zeigen nimmt durch die vielen Details mehr Platz in Anspruch als das reine Erzählen. Es wurde bereits erwähnt. Show, don´t tell ist DIE Regel moderner Schreibkurse und Schreibratgeber. Dabei ist der Grundsatz zum szenischen Erzählen nicht wirklich neu.

Show, don`t tell – Eine Regel deutlich älter als der Film

Show, don´t tell ist letztendlich eine Reaktion der Literatur auf das Aufkommen von Kino und Film, heißt es immer wieder. Mit einer filmischen Erzählstruktur kommt der Autor den Rezeptions-Gewohnheiten der Leser entgegen und kann so ihre Aufmerksamkeit fesseln. In Wirklichkeit ist dieser Grundsatz, nun sagen wir mal, deutlich älter als der Film. Schon vor einiger Zeit schrieb ein spanischer Hochschullehrer folgenden Ratschlag für einen eindringlichen Erzählstil nieder:

„Zweifelslos nämlich erfaßt derjenige, der sagt, die Stadt sei erobert worden, alles, was nur ein solcher Schicksalsschlag enthält, jedoch dringt es wie eine knappe Nachricht zu wenig tief ein in unser Gefühl. Wenn du dagegen das entfaltetest, was alles das eine Wort enthielt, dann wird das Flammenmeer erscheinen, das sich über die Häuser und Tempel ergossen hat, das Krachen der einstürzenden Dächer und das aus den so verschiedenen Lärmen entstehende eine Getöse, das ungewisse Fliehen der einen, die letzte Umarmung, in der andere an den Ihren hängen, das Weinen der Kinder und Frauen und die unseligerweise bis zu diesem Tag bewahrten Greise, […].“ (Quint VIII 3, 67f.)

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Zeigen, nicht erzählen – Der Grundsatz ist deutlich älter als der Film, Bild © by Rainer Sturm/ pixelio.de

Die Beschreibung der zerstörten Stadt geht im zitierten Text noch einige Zeilen weiter. Hier siehst Du ein weiteres Mal: Zeigen nimmt deutlich mehr Raum als Erzählen ein. Die zitierte Stelle stammt aus dem praktischen Rhetorik-Handbuch „Die Ausbildung des Redners“ von Marcus Fabius Quintilianus. Der Spanier war im 1. Jahrhundert nach Christus der erste staatlich besoldete Rhetorikprofessor in Rom. Im Jahr 95 entstand das besagte Handbuch. Bereits hier findet man die „moderne“ Regel Show, don`t tell. Die antike Rhetorik kennt den Grundsatz unter dem Begriff evidentia. Es lohnt sich, diesen Begriff etwas näher zu beleuchten, um die Regel Zeigen, nicht erzählen in ihrem Grundsatz zu erläutern. In der antiken Rhetorik spielte die detaillierte Darstellung von Handlungsabläufen vor Gericht eine zentrale Rolle.

Ging es zum Beispiel um einen Mordfall, legte der Redner alles daran, den Richtern das Verbrechen besonders plastisch vor Augen zu führen. Es ging um ein detailliertes Beschreiben und die Erregung der Gefühle. Im Idealfall präsentierte man noch das blutige Hemd des Opfers. Bei den Richtern handelte es sich in der Antike häufig um Laienrichter, welche sich wesentlich leichter beeinflussen ließen als Profis. Für eben diese gezielte Beeinflussung von Richtern hat die Antike eine ausführliche Erzähltheorie entwickelt, wir finden Teile davon in der Ausbildung des Redners. Noch früher als Quintilian behandelt Aristoteles die evidentia und spricht vom „Vor-Augen-Führen“. Dies erinnert ganz stark an die filmische Erzählstruktur der modernen Literatur. Dieses „Vor-Augen-Führen“ ist der eigentliche Kern der Regel Show, don´t tell. Einige Jahrhunderte später hat es dann Joseph Conrad sehr schön auf den Punkt gebracht: „Das Ziel des Schreibens ist es, andere sehen zu machen.“

Show, don`t tell – Auf die richtige Mischung kommt es an

In welcher Form Du dem Leser deine Handlung vor Augen führst, bleibt letztendlich Dir als Autor überlassen. Das plastische Zeigen der modernen Literatur ist letztendlich ein Weg dahin. Doch hier sollte man es auch nicht übertreiben. Show nimmt in einem Manuskript deutlich mehr Raum als tell ein. Ein detailliertes Niederschreiben und die Verwendung von Dialogen in deinem Roman sind nur sinnvoll, wenn die beschriebene Situation für die Handlung von Bedeutung ist. Es stellt sich durchaus die Frage, ob man eine Alltagshandlung wie das Zubereiten von Mittagessen in aller Breite beschreiben muss. Sollte Marta allerdings Gift in die Bolognese Sauce mischen, um dem ewigen Nörgeln von Franz ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, dann steht das Zeigen im Vordergrund.

Handelt es sich nur um Belanglosigkeiten oder möchtest Du größere Zeiträume beschreiben, ist das knappe Erzählen angebracht. Als kleines Fazit kann man sagen: Show, don`t tell ist zweifellos eine wichtige Regel der modernen Literatur und sinnvoll. So kommst Du dem heutigen Leser entgegen, der durch Kino und Fernsehen vor allem filmische Erzählstruktur gewohnt ist. Doch grundsätzlich solltest Du Dich nie sklavisch einer Regel unterwerfen, auch wenn Schreibratgeber diese noch für so wichtig erachten. Jeder Roman braucht eine gesunde Mischung von show und tell. Dazu bestimmen nicht Schreibregeln deinen Schreibstil als Autor, sondern Du selbst.

Fazit des Buchinsiders: Was steckt hinter der Regel Show, don´t tell?

Mit Show, don´t tell (Zeigen, nicht erzählen) kommst Du den heutigen Leser entgegen, der durch Kino und Fernsehen besonders filmische Erzählstrukturen gewöhnt ist. Handlung und Dialog stehen im modernen Roman im Vordergrund. Es geht darum, dem Leser die Ereignisse in deinem Buch möglich plastisch zu zeigen. Show, don´t tell sorgt sozusagen für ein Kopfkino und ist vor diesem Hintergrund eine wichtige Schreibregel.

Insgesamt kommt es im Buch jedoch auf den richtigen Einsatz von show und tell an, jeder Roman braucht hier eine gesunde Mischung von Zeigen und Erzählen.

Ein Gedanke zu „Show, don´t tell – Was steckt hinter der Schreib-Regel?

  1. Moin,
    show don’t tell ist in jedem Fall eine wichtige Regel, wenn es darum geht Gefühle und Bilder zu wecken. Eine Szene wie in ihrem Beispiel würde ich wohl nur punktuell zeigen und nicht so ausführlich, da kommt es aber auch auf das Genre und den Charakter an. Wenn Kochen die große Leidenschaft der Protagonistin ist, sollte man das natürlich ausführlicher zeigen.

    Zu dem Show-Beispiel selbst habe ich folgende Anmerkung.
    „Marta war in der Küche voll beschäftigt.“ Auch das ist tell und beraubt dem Leser der Selbsterfahrung im nachfolgenden Teil. Wenn man seinen Ausführungen nicht genug vertraut, was man sollte, dann würde ich das Tell hinterherschieben, aber niemals vorwegnehmen.

    „Das Ziel des Schreibens ist es, andere sehen zu machen.“- und das Schöne ist, dass jeder etwas anderes vor seinem inneren Auge sieht.

    Ein lehrreicher Artikel. Vielen Dank.

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