Interview Ditta Friedrich (Lektorin Rowohlt): Ein Lektorat erstreckt sich über Monate

Interview Ditta Friedrich (Lektorin Rowohlt): Ein Lektorat erstreckt sich über Monate

Ditta Friedrich ist Lektorin im Rowohlt Verlag und prüft vor allem Stoffe für die Unterhaltungsprogramme von Rowohlt Polaris und der Allgemeinen Reihe (rororo). Auch wenn eigentlich immer zu viele Manuskripte auf ihrem Schreibtisch liegen, ist es ihr Traumberuf.

Ditta Friedrich

Ditta Friedrich spricht im Interview über den Nutzen von Autorensoftware und typische Fehler in Manuskripten, die fast jeder macht. Weiterhin erläutert sie, wie die Zusammenarbeit von Lektor und  Autoren funktioniert. Ditta gibt dazu eine Einschätzung, wie ernst Self-Publisher heute Korrektorat und Lektorat nehmen.  

Die letzten Zeilen sind geschrieben und der Roman ist fertig. Mancher Schriftsteller gibt sein Manuskript zu früh aus den Händen. Wann sollte ein Autor sein Manuskript einem Lektor übergeben?

Wenn man bereit ist für Kritik an einer ersten Fassung.

Falls es aber schon einen Austausch zu dem Projekt gegeben hat, bin ich aus Lektorin-Sicht geneigt zu sagen: so rasch wie möglich. Denn zum einen bin ich natürlich neugierig auf den vollständigen Text und möchte ein Gefühl für die komplette Geschichte, die Figurenentwicklung und den Handlungsbogen bekommen. Zum anderen finde ich es wichtig, sich so früh wie möglich abzustimmen und abzuklopfen, ob es noch größere Baustellen gibt, die vor einem ersten Lektoratsdurchgang bearbeitet werden sollten. Also, funktioniert der Plot? Sind die Figuren glaubwürdig und lebendig? Was ist für die Überarbeitung wichtig?

Dann kann man auch das weitere Vorgehen besprechen.

Man ist gegen die eigenen Fehler betriebsblind. Gibt es deiner Ansicht nach gute Programme wie Papyrus Autor oder die Duden Korrektur, die viele Fehler finden?

Unterstützende Programm sind sicher nie verkehrt, zumindest was die sprachliche Ebene angeht. Also, um unschöne Wiederholungen zu entdecken oder Rechtschreibfehler zu vermeiden. Manche Autoren arbeiten auch mit speziellen Programmen, um einen besseren Überblick über Chronologie, Personal und Plotebenen zu behalten. Ich denke, da arbeitet jede Autorin, jeder Autor anders. Die eine tapeziert zuhause die Wände mit der Backstory ihrer Figuren, mit den Zeitabläufen und Handlungsorten, der andere pflegt ein ausgeklügeltes Ordner-System am Computer. In der redaktionellen Bearbeitung eines Manuskripts arbeite ich meistens mit dem Nachverfolgungsmodus bei word. Aber ich wurde auch schon von Autor*innen gebeten, mit Papyrus zu arbeiten.

Wie gehst Du mit einem Manuskript mit sehr vielen Fehlern um?

Ein Manuskript mit sehr vielen Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern würde ich vermutlich noch einmal an die Autorin, den Autor zurückspielen, bevor ich mit dem Groblektorat beginne. Bei der Redaktion selbst korrigiere ich soweit alles, was mir gleich ins Auge springt. Manchmal gebe ich das Feinlektorat auch an eine(n) externe(n) Redakteur(in), der/die dann ein spezielles Auge auf die Rechtschreibung haben soll. Und in jedem Fall vertraue ich auf unser Korrektorat, das mit der Arbeit beginnt, wenn die Redaktion abgeschlossen und das Manuskript satzfertig ist. Es ist erstaunlich, was die Kollegen noch alles finden – und zwar nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene.

Ein Manuskript mit vielen inhaltlichen, also logischen und strukturellen Fehlern würde ich vermutlich ablehnen. Oder nur ins Programm nehmen, wenn das Projekt aus anderen Gründen extrem vielversprechend ist.

Gibt es typische Fehler, die jeder Autor macht?

Es gibt ein paar Klassiker: scheinbar – anscheinend, gesinnt – gesonnen etc. Aber auch schiefe Bilder oder sprachliche Ungenauigkeiten kommen immer wieder vor. Es gibt da das schöne Beispiel von Heinz Erhardt: „Ich heiße Heinz Erhardt und Sie herzlich willkommen.“ Autsch.

Über die ein oder andere originelle Sprachblüte muss man dann doch gelegentlich schmunzeln. Abgesehen von den Fehlern auf der Sprachebene sollte man als Autorin, als Autor seine Leser weder über- noch unterschätzen, sondern vor allem erst nehmen und nicht langweilen.

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Lektor und Autor während den Korrekturen und nach dem Abschluss deiner Arbeit?

Die Phase der gemeinsamen Textarbeit ist meist sehr intensiv, da funktioniert die Kommunikation bisweilen auch auf allen Kanälen (Telefon, Mails, Chats …). Diese Zusammenarbeit ist für mich das Herzstück als Lektorin, und sie kann sehr beglückend sein. Es braucht natürlich großes Vertrauen und enge Absprachen. Manchmal entwickelt sich dabei auch eine sehr persönliche Nähe – oder eine amüsante Parallel-Kommunikation in den Kommentaren.

Von der ersten Manuskript-Besprechung bis zum gedruckten Buch zieht sich der Prozess oft über viele Monate: Groblektorat, Feinlektorat, Fahnendurchsicht, Revision …

Da lernt man sich bisweilen gut kennen und bekommt eine Menge voneinander mit. Wenn das Buch dann erscheint, kann es sein, dass der Kontakt intensiv bleibt, vor allem, wenn es Veranstaltungen, Pressetermine etc. gibt, und im besten Falle ein Gespräch über das nächste Projekt.

Auf welchen Roman, den Du kürzlich lektoriert hast, freust Du Dich besonders? Wann wird das Buch veröffentlicht?

Fräulein Gold Rowohlt

Zuletzt habe ich das Lektorat von Anne Stern „Die Stunde der Frauen“ abgeschlossen. Es handelt sich um den vierten Band der „Fräulein Gold“-Reihe, in der es um eine Berliner Hebamme geht, die im Berlin der 1920er Jahre lebt und arbeitet und sich vor allem für das Wohl und die Belange der Frauen engagiert. Das war wieder eine sehr spannende Zusammenarbeit, weil ich immer auch noch etwas über die Zeit und den Beruf einer Hebamme erfahren habe – und irritiert feststellen muss, wie aktuell die Fragen von Emanzipation und Gleichberechtigung auch hundert Jahre später noch sind. Der Roman erscheint im Dezember ´21.

In Romanen von Self-Publishern soll es nur so von Fehlern wimmeln, da Autoren hier ohne Lektorat veröffentlichen können. Gilt diese (zugegeben schon) ältere Einschätzung noch oder sind Self-Publisher heute viel professioneller als vor Jahren?

Ich habe schon den Eindruck, dass sich da viel getan hat. Gerade im Self-Publishing sehen wir eine enorme Professionalisierung. Viele Autor*innen haben die Notwendigkeit erkannt, gute Qualität abzuliefern, und sind offensichtlich bereit für externe Dienstleistungen wie Lektorat, Korrektorat etc. zu zahlen.

Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass viele Selfpublisher den Weg in die Publikumsverlage suchen (oder dorthin zurückfinden). Vermutlich ist es eben doch ganz angenehm, wenn alles in einer Hand und damit aus einem Guss ist und man sich als Autorin, als Autor aufs Schreiben konzentrieren kann.

Fazit zum Interview mit Ditta Friedrich

Ditta Friedrich rät Autoren das Manuskript aus der Hand zu geben, sobald man für Kritik breit ist. Sollten die erste Fassung viele Fehler in Rechtschreibung und Grammatik haben, geben Lektoren das Manuskript häufig zurück. Es kann helfen mit einem Programm wie Papyrus Autor zu arbeiten. Spezielle Programme für Autoren helfen bei Stilistik weiter und finden Rechtschreibfehler, dazu dient die Software bei der Planung des Romans.

Ein Lektorat erstreckt sich häufig über mehrere Monate und läuft auf allen Kanälen (z.B. Telefon, Mail, Chat usw.). Die Kommunikation zwischen Lektor und Autor ist intensiv, die Personen lernen sich auch privat kennen. Der Self-Publishing-Bereich ist nach Ansicht von Ditta Friedrich heute viel professioneller, zahlreiche Self-Publisher leisten sich ein Korrektorat oder Lektorat, häufig suchen sie den Weg in die Publikumsverlage.  

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